Auch in Österreich geht so viel Agrargrund verloren wie nie zuvor, nämlich 0,29% pro Jahr. Das berichtete Hr. Matthias Raßbach von Lidl Österreich. Gleichzeitig geht die Bodenversiegelung voran und die "Big Player" sind weiter auf der Suche nach großen Gewerbeflächen, auch etwa für Logistikzentren mit mehreren Hektar Platzbedarf.
Wachsende Teile der Bevölkerung wehren sich gegen den Flächenfraß und Agrarökonomen fordern die Landespolitik eindringlich auf, endlich Maßnahmen zu ergreifen. Die BürgermeisterInnen müssen aber zusehen, wie sie Gewerbebetriebe (= Arbeitsplätze = Steuereinnahmen) in ihre Gemeinden bekommen bzw. diese dort halten können.
Also heißt es wohl zusammenrücken. Anstatt dem typischer Flachbau auf 4.500m² Grund mit 100 vorgelagerten PKW-Stellplätzen am Ortsrand will Lidl nur noch 2.500m² Grund verbrauchen. Dafür geht es in die Höhe, eine Ebene Parking, darüber Shoppen und wenn möglich so viele Wohnungen obenauf wie der Bebauungsplan hergibt. Der Diskonter Lidl hat hierfür in Irland ein eigenes Konzept entwickelt, und will nun diese als "Metropolfilialen" in Zentraleuropa realisieren. Eine erste "Metropolfiliale" ist gerade in der Wiener Muthgasse in der Pipeline.
Und wo liegen die Risiken und Hemmschuhe?
Bislang gingen die Lebensmittelhändler nur ungerne in gemischte Immobilien. Denn bei multifunktionellen Nutzungen multiplizieren sich logischerweise die funktionalen Anforderungen mit den gesetzlichen Vorschriften. So wird die Entwicklung und Umsetzung einer "Metropolfiliale" auch rechtlich zu einem sehr komplexen Unterfangen, gerade in Österreich mit seinen vielen länderspezifischen Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien.
Am Weg vom Projekt zum Objekt befindet eine ansehnliche Menge an Stolpersteinen und Untiefen. Die fangen bei der Raumordnung bzw. Widmung an (Land), ziehen sich über lokale Bauvorschriften und den Ortsbildschutz (Gemeinde), die Bauordnungen und OIB-Vorschriften (Land) und enden dann irgendwo beim Mietrechts- und Wohnungseigentumsgesetz (Bund).
Auch Architekten und Ingenieure stehen bei "Metropolfilialen" vor Herausforderungen, die beim Markt auf der "Grünen Wiese" kaum ein Thema sind. Etwa das Thema strukturelle Flexibilität für die notwendigen Modernisierungszyklen oder das Thema der verschiedenen Funktionsabläufe bis hin zu einer Produktanlieferung per LKW, die auch um 5 Uhr Früh für die Bewohner störungsfrei möglich sein muss.
Die Immobilien- bzw. Expansionsabteilung des Lebensmittelhändlers muss jedenfalls bekanntes Terrain verlassen. Denn neben dem 1 x 1 des Supermarktes wäre nun auch die Entwicklung von nachhaltig ertragssfähigen Büro- und Wohnflächen zu beherrschen.
Für "Metropolfilialen" oder ähnliche multifunktionalen Nutzungen ist in jedem Fall umfassende Projektentwicklungsarbeit erforderlich.
Bild: Aufgegebener Supermarkt am Ortsrand, Tiroler Oberland
Bild: "MVRDV" Markthalle Rotterdam